Organist zu sein, ist ein Privileg. Eine Orgel wirklich zu beherrschen und all ihre Facetten im richtigen Licht
wiederzugeben, ist es noch viel mehr. Das erfordert viel Übung, Erfahrung – und natürlich das Instrument an sich.
Insbesondere dem Amateur oder Autodidakten mangelt es anfangs meist an Möglichkeiten zum Ausprobieren und Spielen,
zum Einen aufgrund noch nicht bestehender Kontakte und zum Anderen durch eine sehr enge Bindung zwischen der Orgel
als Instrument und der Institution Kirche als ihrer vornehmlichen Behausung. Denn wer hat schon Geld und Platz für
eine Orgel in der Größenordnung z.B. einer
Münsterorgel...?
Aus dieser Not heraus entstand Stück für Stück eine Übungsmöglichkeit im heimischen Wohnzimmer,
die sich zwar klanglich sicher nicht zu 100% mit einer realen Pfeifenorgel messen kann, aber zumindest die Illusion einer
solchen solide aufrecht zu erhalten vermag. Über den Entstehungsprozess, das Resultat und die Hintergründe
soll hier berichtet werden.
Wie alles begann
Schon als Kind war ich vom sowohl mächtigen, wie auch vielseitigen Klang großer Orgeln und den motorischen Fähigkeiten
der Organisten, die sie spielten, begeistert. Nachdem auch die Eltern dies erkannten, gab es das erste kleine
elektronische Keyboard als Geschenk zum neunten Geburtstag. Mit daraufhin begonnenem und dann fortschreitendem Keyboardunterricht wuchs auch das
Instrument mit – bis mir die Predigten meines Lehrers, auf einen korrekten Fingersatz zu achten, buchstäblich zum Halse heraushingen.
Nur schleppend wurden neue Lieder einstudiert, und die eigene Phantasie ward in einen Käfig gesperrt. Das erzeugte einen gewissen Frust,
der mich der Musikschule fernblieben ließ. Sehr zum Ärger meiner Eltern natürlich, die erst nach Wochen fleißigen
Weiterzahlens durch den Keyboardlehrer davon erfuhren. Mein Keyboard wurde eingezogen und verschenkt – ein Alptraum!
Nach einiger Bettel- und Überzeugungsarbeit bekam ich es jedoch zurück und setzte meine "Experimente" in Eigenregie fort.
Auch wenn ich heute die Eindringlichkeit meines Lehrers verstanden habe, bereue ich die Entscheidung nicht, denn sie hat mir die Freude am
ungezwungenen Spielen wiedergegeben und sie bis zum heutigen Tage noch immer konserviert.
Vom Keyboard zur Heimorgel
Etliche Jahre später, während des Informatikstudiums, entdeckte ich durch einen guten Freund die Möglichkeiten, die ein
MIDI-fähiges Keyboard in Verbindung mit entsprechender Software bietet. Rasch fand sich ein deutlich "echter" klingendes
Orgel-Sampleset für den Synthie, was unter dem Titel "Live At The WhirlPool Organ Arena" zu einigen
Mitschnitten führte
(bis einschließlich Nr. 20). Im Dezember 2010 hatte ich durch die Cousine eines Freundes und Arbeitskollegen dann
die große Ehre, die Klais-Orgel im Ingolstädter Münster spielen zu dürfen. Auch wenn sich meine Erfahrungen
mit einer "echten" Orgel bis dato sehr in Grenzen hielten und ich mich noch nicht viel dazu belesen hatte, so
war es doch nicht nur ein wunderschönes Erlebnis, sondern gleichzeitig der Zündfunke für alle weiteren
Aktivitäten zum Thema Orgel.
Daraufhin wurde beispielsweise der Teil einer guten Steuerrückerstattung in ein zweites Keyboard (ein Fatar VMK-88)
gesteckt, und ca. 2012 wurde das altgediente Stück Tastenplastik aus Studienzeiten durch ein etwas "orgelfühligeres"
Fatar VMK-161plus Organ ersetzt. Nachdem durch einen Umzug in 2011 nun deutlich mehr Platz in der Wohnung zur Verfügung
stand, gab es auch für die Anschaffung eines gebrauchten Vollpedals keinen Hinderungsgrund mehr. Natürlich lässt sich
das Ganze nicht mehr mit einem Stuhl spielen, also musste eine Orgelbank her.
Wo gehobelt wird, ...
Da mir die Preise für die angebotenen Holzklötze einfach zu happig waren und ich gern etwas zu Möbeln und Sichtdachstuhl
Passendes haben wollte, war Selbstschreinern angesagt. Nachdem das Endergebnis meine Erwartungen hinsichtlich Optik,
Bequemlichkeit und Stabilität erfüllt hat, war genügend Motivation vorhanden, um auch noch einen Spieltisch in Angriff
zu nehmen. Wie man auf den Fotos wohl erkennen kann, ließ die bestehende Terassenkonstruktion für die beiden Keyboards
– ich nenne sie einmal bewusst nicht "Manuale" – in puncto Sitzposition sehr zu wünschen übrig. Mit einem ständig
vorgebeugten Oberkörper waren nicht nur Rückenbeschwerden vorprogrammiert, sondern auch das Körpergleichgewicht wurde
beeinträchtigt, was das Pedalspiel sehr erschwerte und bestimmte Texturen, z.B. Läufe von mehr als einer Oktave,
komplett unmöglich machte. Daher sollten mit einem (optisch zur bereits fertigen Orgelbank passenden) Spieltischgestell
die Keyboards auf ergonomische, komfortable Höhe angehoben und bei der Gelegenheit auch gleich näher an den Körper
gerückt werden.
Da ich nicht selbst über geeignete Maschinen (Schleifigel, Oberfräse, etc.) verfügte, ging einige Zeit ins Land, bis
sich schließlich ein Arbeitskollege der Sache annahm und wir gemeinsam "Nägel mit Köpfen" machten. Bis zur endgültigen
Fertigstellung sollte es jedoch nochmals ein gutes Jahr dauern... Doch die Wartezeit hatte auch ihr Gutes. Denn in der
Zwischenzeit vertieften sich meine Einblicke in den Orgelbau und die Umsetzung anderer Heimprojekte. Auf Basis dieser
Erkenntnisse und in dem Wunsch, ein realistischeres Spielgefühl in den Manualen zu erhalten, beschloss ich, auf den
aktuell installierten
Manualblock mit
drei Druckpunktklaviaturen zu sparen. Einen Spezifikationsbesuch in Salzwedel, mehrere eMails und Telefonate sowie
hartnäckiges Nachfragen führten letztlich zum Erfolg und Mitte 2014 war es dann endlich soweit:
Ein 30-Kilo-Paket traf ein.
AEG: Auspacken, Einschalten, Geht.
Installation und Konfiguration des Blocks gestalteten sich weitestgehend unproblematisch. Einziger Wermutstropfen war
die anfangs nicht funktionierende Rückkommunikation von Pistonaktivitäten am Rechner an den Manualblock.
Nach erneutem wochenlangen Warten auf Antwort ließ mich ein Hinweis im nächsten "Nervtelefonat"
jedoch aufhorchen und sorgte dafür, dass nach einem Kommunikationscheck und Korrektur eines Konfigurationsfehlers
doch noch alles wie beabsichtigt funktionierte.
Als nächster Schritt stand der Kauf eines neuen
Vollpedals passend zu Bank und Spieltisch
an. Das seinerzeit über eBay gebraucht ersteigerte, nachträglich midifizierte Wersi-Pedal wurde mir allmählich
etwas lästig, da die Federn unter den Tasten doch ganz schön knarzten und das Klicken der Schaltkontakte mir
irgendwann immer mehr auf die Nerven ging. Ganz zu schweigen vom Anschlaggeräusch beim Loslassen der Tasten, das
bei schnellen Pedalpassagen teils die Musik übertönte. Glücklicherweise fand ich "um die Ecke"
in Schwaben einen Händler, mit dem sich die ganze Prozedur – im vollen Gegensatz zu der Aktion mit dem
Manualblock – schnell und unkompliziert abwickeln ließ. Damit steht der für Mitte-Ende Oktober 2014
geplanten Einweihung der "Zahn-Neumann-Orgel" mit einigen Orgelfreunden aus der Umgebung nun nichts mehr im Wege...
Und der Organist sprach: Es werde laut!
In der Zwischenzeit wurde noch eine weitere Anschaffung fällig: Die gute alte Stereoanlage von 1993 funktionierte zwar
noch tadellos wie am ersten Tag, allerdings leben wir mittlerweile im dritten Jahrtausend nach Christus und so wurde
mal ein Update auf ein Surround-System fällig. Glücklicherweise unterstützt die verwendete VPO-Software (VPO = Virtual
Pipe Organ) die Wiedergabe auf Mehrkanal-Audiosystemen. Da die einzelnen Pfeifensamples jedoch nicht als mehrkanalige
Aufnahme, sondern nur in Stereo vorliegen, wurden kurzerhand die linken und rechten Kanäle jeweils zwei verschiedenen
Lautsprechern im Raum zugeteilt (siehe Skizze).
Die Verteilung erfolgte dabei chorweise und orientierte sich an deren gefühlter Lautstärke. So liegen beispielsweise
die weichen Flötenregister näher an der häufigsten Hörposition, während Trompeten und sonstige Zungenregister eher
in die Ferne gerückt wurden. Mixtur, Sesquialter und Aliquoten sind für einen ausgewogeneren Gesamtklang quer durch
den Raum dirigiert; 16'- und 32'-Bassregister verwenden zur besseren Wiedergabe des gesamten Tonumfangs nicht nur
den Subwoofer, sondern auch den Center-Lautsprecher. Um den "trocken" (also ohne Nachhall des Raumes direkt an
der Pfeife) aufgenommenen Samples passend zum Raum etwas mehr "Kirchenfeeling" zu verleihen, wurde die in der
VPO-Software vorhandene Option für das Einrechnen eines sog. Faltungshalls mittels Impulse-Response-Aufnahmen eines
echten, physikalisch existenten Raumes bzw. Gebäudes aktiviert. Da sich das mit nur wenigen Klicks schnell und
unkompliziert ändern lässt, hallt es je nach persönlicher Lust und Laune mal zwischen 5 Sekunden wie in einem
stillgelegten Kernreaktor und 8 Sekunden wie im York Minster.
Hinter den Kulissen
Angesteuert wird die virtuelle Pfeifenorgel aktuell durch einen (mittlerweile schon etwas betagten) Desktop-Rechner
mit der folgenden Konfiguration:
Man sieht, es geht auch preiswert. Einzig nervig sind die Hänger in der Wiedergabe, die reproduzierbar entstehen,
wenn neben der Orgelsoftware noch andere Programme laufen, die viel Festplattenaktivität verursachen. Beispielsweise
scheinen aktuelle Versionen des Webbrowsers "Firefox" ein Speicherleck zu haben, was in erhöhter
Arbeitsspeicherauslagerung auf die Festplatte und damit dem oben erwähnten Problem resultiert. Bei der bereits
beschafften, aber noch nicht lauffähigen neue Hardware ist aber eine SSD-Festplatte mit dabei, die das Problem
ein für alle Mal erschlagen sollte.
Koppeln: I/P, II/P, III/P und II/I, III/I, III/II; I/4' und III/16' (siehe Disposition)
Setzeranlage: 1.000 Speicherplätze, 30 Generals, 8 Divisionals pro Werk
Schweller: Positiv (II) und Schwellwerk (III)
I – Hauptwerk C-g3
II – Schwellwerk C-g3
P – Pedal C-f1
Bourdon 16′
Principal 8′
Doppelflöte 8′
Dolce 8′
Oktave 4′
Flute 4′
Oktave 2′
Mixtur
Cornett IV
Trompete 8′ Superoktavkoppel Superoktavkoppel an II Suboktavkoppel an II
Koppeln: I/P, II/P und II/I; II/4' (siehe Disposition)
Setzeranlage: 1.000 Speicherplätze
Schweller: Schwellwerk (II)
Wie es weitergeht
Irgendwie fehlt dem Spieltisch auch noch eine hübsche Oberbeleuchtung. Optisch sehr ansprechend und mein persönlicher Favorit
ist diese Leuchte von Weiblen,
allerdings ist die nicht gerade billig und beim Platzbedarf werde ich aufgrund der Dachschräge ein wenig tricksen müssen.
Wie schon weiter oben erwähnt, wartet bereits neue Rechner-Hardware auf ihren Einsatz. Mit seinem großzügig ausgelegten
Arbeitsspeicher und einer SSD-Festplatte sollen gleichzeitige Wiedergabe und Aufnahme ohne Artefakte gewährleistet
werden. Zusätzlich kommt zu gegebener Zeit eventuell ein Umstieg auf die kommerzielle VPO-Software
"Hauptwerk" in
Betracht, für die es mittlerweile eine Vielzahl qualitativ sehr hochwertiger Sample-Sets zu kaufen gibt. Preise nenne
ich da lieber nicht, da kann man ziemlich schnell ziemlich arm bei werden – wobei fairerweise gesagt sein muss, dass
sie das Geld in der Regel auch wirklich wert sind. Vielleicht erklingt ja eines Tages doch noch
die fünfmanualige Pécsi-Mühleisen aus dem
Palace of Arts in Budapest...